Archiv April 2013

Eine Frage der Perspektive

Es war ja still geworden um den ehemlaigen und schmachvoll davongejagten Bundespräsidenten Christian Wulff. In dieser Stille arbeitete die Staatsanwaltschaft an den einzelnen Punkten, die ihm zur Last gelegt wurden und mußte leider feststellen, daß sich einer nach dem anderen als nicht haltbar herausstellte.

Bis auf einen: eine Hotelübernachtung inkl Drumherum wie Restaurant- und Kinderbetreuungskosten, die sein Bekannter Groenewold für ihn übernommen hat. 754 Euro. Für die Kreise, in denen man Ministerpräsident verkehrt wahrscheinlich eine Summe unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, für andere (wie mich) ein nettes Sümmchen.

Wegen dieses Vorfalls wird jetzt also ein Gerichtsverfahren mit allem Brimborium eröffnet. Und schon sind sie da: diejenigen, die sagen „Wegen so einer Lappalie so viel Aufwand! Laßt ihn doch endlich in Ruhe.“ oder „Hexenjagd! Der arme Kerl.“.

All jene, die sich so äußern möchte ich bitten, sich vorzustellen, der Angeklagte wäre kein Ex-Bundespräsident, sondern ein stinknormaler Polizist oder ein kleiner Beamter im Finanzamt. Würden Sie dann auch noch sagen, man solle ihn laufen lassen? Oder ein Lehrer, der sich seinen Urlaub von einem wohlhabenden Elterteil eines seiner Schüler sponsern läßt. Egal? Oder doch nicht? Wo würden Sie die Grenze ziehen? Sie, die Sie das Benehmen der Staatsanwaltschaft überzogen finden? Wie paßte das zusammen mit der Tatsache, das Menschen ihren Job verloren haben, weil sie einen fremden Pfandbon von etwas über einem Euro selbst eingelöst haben oder eine übrig gebliebene Frikadelle von einem Buffet gegessen haben, die ansonsten in die Tonne gewandert wäre? Erklären Sie mir bitte schlüssig, wie das zusammengeht.

Immerhin reden wir hier von einem Mann, der bis ans Ende seiner Tage jedes Jahr 199.000 Euro von uns bekommen soll. Plus Nettigkeiten wie ein Büro mit Bürokraft, einen persönlichen Referenten und eine Limousine samt Chauffeur.

Der Mann gehört selbstverständlich vor Gericht. Für ihn gelten die gleichen Gesetze wie für Sie und mich. Und genauso, wie wir uns verantworten müßten muß er es auch. Selbst wenn er sich nur eine Flasche Wein hätte bezahlen lassen. In manchen Positionen, dazu gehören ganz bestimmt Minister- und Bundespräsidenten, darf man sich nicht einmal den Hauch eines Anscheines von Käuflichkeit anhängen lassen. Tut man es doch und wird aus dem Hauch ein deutlich wahrnehmbarer Geruch, dann ist man dran. So einfach.

Apropos so einfach: ebenfalls im Rahmen dieser Geschichte haben wir gelernt, was es kostet, sich aus dem Schlamassel freizukaufen. Schlappe 20.000 Euro hätte es Herrn Wulff gekostet, das Schauspiel zu beenden. Da er ja kein Amtsträger mehr ist, hätte er ganz ungeniert seine Freunde bitten können, doch etwas beizusteuern. Vielleicht noch mal die alten Bankkontakte reaktivieren, die auch beim Hauskauf so kulant unterstützt haben. Da geht bestimmt noch was.

Ich hätte das gemacht. Bezahlen, danach allen den Finger zeigen und irgendwohin abdampfen wo die Sonne scheint, die Cocktails kühl sind und der Strand weiß ist um die 16.583 Euro monatlich durchzubringen, die mir zustehen. Chauffeur, Referent und Bürokraft könnten meinetwegen 365 Tage im Jahr bezahlten Urlaub machen. Oder mitkommen. Oder sonstwohin gehen. Mir doch egal, ich bezahle sie ja nicht. Das macht ja der Steuerzahler.

Pffff…. Schwierig….

Neulich im Auto. Sohn und ich sind irgendwohin unterwegs, im Radio läuft WDR5. Irgendein Kabarettist doziert über die Wirren des deutschen Steuersystems. Schließlich kommt er mit folgendem Beispiel:

Kabarettist: Eine Übernachtung in einem deutschen Hotel wird mit 7% Mehrwertsteuer beaufschlagt. Es sei denn, es handelt sich um ein Stundenhotel, dann sind die vollen 19% fällig.

Sohn, plötzlich hochalert: Papa, was ist ein Stundenhotel?

Ich: Ja, öh, das ist ein Hotel, in dem man Zimmer auch nur für ein paar Stunden mieten kann…

Sohn: So ein Blödsinn. Wozu braucht man das denn?

Ich: Öhhh, also wenn man z.B. mit dem Flugzeug eine Zwischenlandung mit Aufenthalt irgendwo hat und dann ein wenig schlafen möchte, dann kann das ganz praktisch sein. Weil, ist ja auch billiger so stundenweise.

Sohn: Ah, ok.

 

Ich finde, ich habe das ganz gut gerettet. Klingt doch eigentlich recht plausibel.

Gruselig…

Falls Sie eingermaßen der englischen Sprache mächtig und willens sind, sich durch einen längeren fremdsprachlichen Text hindurchzuarbeiten, dann empfehle ich ihnen dringend die Lektüre dieses Artikels:

How Companies Learn Your Secrets

Am Beispiel der amerikanischen Einzelhandelskette Target wird aufgezeigt, was diese Ketten alles über ihre Kunden wissen (Kundenkarte sei Dank), was sich aus den vielen scheinbar zusammenhanglosen Einzeldaten kombinieren läßt und wie diese Erkenntnisse genutzt werden, um Kunden (uns) möglichst zielgerichtet und effektiv zu manipulieren. Beispielhaft werden in dem Artikel Schwangere herausgepickt.

Ein echtes Gruselstück. Wer danach immer noch unbedarft seine payback-Karte zückt, um ein paar Cent Rabatt einzuheimsen, dem ist nicht mehr zu helfen.

Nicht setzen, sechs

Nach langen Vorbereitungen soll es nun endlich losgehen. Der Prozeß gegen die einzige Überlebende des NSU startet am 17.04.2013.

Natürlich erregt dieser Prozeß aufgrund dessen, was um ihn herum so alles an Unfähigkeit und Schlamperei auf allerhöchstem und beschämendem Niveau bekannt wurde eine nicht geringe Aufmerksamkeit. Auch und besonders auf Seiten der Presse. Das auch die türkische Journaille sich für diesen Fall interessiert sollte auf grund der Tatsache, daß die meisten Opfer der Mordserie Türken waren niemanden wundern.

ABER: das die türkischen Presseleute es verbaseln, sich rechtzeitig um Akkreditierungen zu kümmern und jetzt lautstark herumheulen, sie müßten aber in den Gerichtsaal, weil es ja Türken waren, die ermordet wurden, das macht mich sprachlos und sauer. Die Vergabe der Plätze lief ebenso einfach wie effektiv und transparent nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Die ersten fünfzig Bewerber haben einen Platz. Alle die danach kommen eben nicht.

Wenn es so wichtig ist, bei diesem Prozeß anwesend zu sein, wie die türkischen Medien jetzt behaupten, dann muß die Frage erlaubt sein, warum ihnen das erst drei Wochen vor Prozeßbeginn auffällt. Wenn mir etwas so unglaublich wichtig ist, dann bleibe ich am Ball, kümmere mich, gehe entsprechenden Leuten täglich auf den Sack die Nerven bis ich alles relevante weiß. Meinem Verständnis nach gehört das bei Journalisten zur Jobbeschreibung. Was nicht geht ist, den Termin zu verpennen und dann zu fordern, daß man trotzdem irgendwie noch reingequetscht wird.

Und wie gefordert wird: selbst der Außenminister wird angerufen, um „Erwartungen der türkischen Regierung“ deutlich zu machen. Diese Erwarungen umfassen dann plötzlich nicht nur Pressevertreter, sondern auch Mitglieder der türkischen Staates (Quelle). Bin mal gespannt, ob noch jemand auf die Idee kommt, den Prozeß gleich in die Türkei zu verlegen.

Nee, Freunde: ihr hattet wie alle anderen auch die Chance, ihr habt es verbaselt und jetzt kommt bitte damit klar und führt euch nicht auf wie Zweijährige an der Supermarktkasse.

Besinnlicher Ausklang

Da sitzt man zu viert in aller Ruhe um den Frühstückstisch, denkt an nichts böses und dann fällt aus heiterem Himmel ein Hängeschrank von der Wand. Voll natürlich.
Es sind keine Personenschäden zu beklagen, allerdings einige Sachschäden. Unter anderem mein Handy. Gorillaglas mag ja viel aushalten, aber einen vollen Schrank dann doch nicht. Blöd.