Interessante Zeiten

Interessante Zeiten

Was erleben wir da eigentlich gerade? Ein Haufen relativ unorganisierter Typen mit wirren Ideen darüber, wie Politik gemacht werden sollte, hat sich aus dem Stand in zwei Landtage gehievt und ein dritter (der in NRW) scheint auch schon recht sicher zu sein. Die Rede ist natürlich von der Piratenpartei (oder wie die Medien sie liebevoll benamst haben „die Piraten“)

Warum eigentlich? Bisher haben sie noch nichts greifbares geliefert, ihr Programm ist noch im Aufbau und auch was die Personen angeht ist niemand dabei, der als Zugpferd dienen könnte. Die Linke hatte damals wenigstens noch Oskar Lafontaine. Der ist auch wirr, aber telegen und kann reden.

Am ehesten erinnert mich das Geschehen noch an die Zeit, als die Grünen sich gründeten. Die fand man am Anfang auch mehr so lästig und albern, aber dann haben sie die Kurve genommen und sind heute durchaus etabliert.

Allerdings gibt es Unterschiede. Die frühen Grünen hatten mit Petra Kelly und Gert Bastian zwei Anführer, die es quasi im Alleingang geschafft haben, die Partei zu gründen, zu formen und gegen erbitterten Widerstand der Altparteien zu ersten Erfolgen zu führen. Solche Leute habe ich bei den Piraten noch nicht gesehen. Ein weiterer Unterschied ist die Zielgruppe, die angesprochen werden soll. Die frühen Grünen hatten eine klar umrissene Zielgruppe, von der sie auch zuverlässig gewählt wurden. Erfreulicherweise (für die Grünen) waren es auch genug Menschen um ihnen Gewicht zu verleihen. Die Piraten dagegen bedienen sich bei mehreren Schichten. Vom Nerd bis zum Oberstudienrat ist laut Analyse der Saarwahl alles dabei. Es wäre also etwas zu einfach, diese Gruppierung als ein Sammelbecken für Protestwähler abzutun.

Was beide eint, ist die in der Frühphase enge Ausrichtung auf ein Thema. Die Grünen haben es geschafft, sich nach den ersten Wahlerfolgen ein komplettes Programm zu geben und so auch auf höheren Ebenen wählbar zu werden. Das müssen die Piraten erst noch beweisen. Ob das mit ihrem Anspruch der totalen Transparenz und Mitsprache machbar ist wage ich ganz ganz stark zu bezweifeln. Wenn sie es nicht schaffen, diese Utopie durch eine praktikablere Lösung zu ersetzen, dann, fürchte ich, werden sie ein kurzes, wenngleich amüsantes, Zwischenspiel auf der politischen Bühne bleiben. Was schade wäre, denn momentan verabschiedet sich eine der alteingesessenen Parteien auf allen Ebenen in die Bedeutungslosigkeit und ein Ersatz könnte ja nicht schaden. Und sei es nur, um die anderen mal ans Nachdenken zu bringen und sie zu zwingen, sich mit neuen unbekannten Phänomenen wie dem Internet auseinanderzusetzen.

 

Schlauschiesser