Neues vom Vater

Neues vom Vater

Der aktuelle Chemozyklus ist seit Montag vorbei und es stand wieder die obligatorische Abschlußbesprechung an. Dieses Mal bin ich mitgegangen, weil ich das Gefühl nicht loswerde, das ich entweder nur die Hälfte erzählt bekomme bzw. daß meine Eltern in ihrer Arztgläubigkeit nichts hinterfragen.

Es war interessant. Meine erste Frage war die nach dem ominösen Tumormarker (der übrigens wieder über 8000 gestiegen ist. Normal sind 37.) und dessen Aussagekraft. Antwort: sagt so gut wie nichts konkretes aus, außer das ein Tumor da und aktiv ist. Aha.

Neu war mir auch, daß man auf dem letzten CT sehr wohl erkennen konnte, wo der Tumor sitzt. Beruhigter bin ich nun aber keineswegs, denn der Tumor sitzt auf den großen Blutgefäßen im Oberbauch und wächst fingerförmig in alle Richtungen. Die Stelle, an der er sitzt macht ihn leider auch inoperabel und nicht bestrahlbar. Naja, nicht ganz inoperabel, aber betrachtet man den Gesamtzustand des Mannes und die Schwere der Operation, kommt man ganz dicht an inoperabel heran. Laparoskopisch geht auch nicht, da die Verwachsungen in seinen Organen es nicht zulassen. Das führte mich dann zu der Frage, was denn passiert, wenn der Tumor in die Gefäße eindringt und sie schlimmstenfalls reißen. Was meiner medizinischen Laienmeinung nach zu einem ziemlich schnellen Tod durch Verbluten führen würde. Wenig beruhigend: wenn der Tumor in die Gefäße eindringt, platzen oder reißen sie nicht, aber wenn der er sie ganz oder teilweise verschließt ist das auch nicht viel besser. Was dann genau passiert wollte ich gar nicht wissen.

In dem Zuge habe ich dann gefragt, ob es eigentlich das Ziel der Chemo sei, den Tumor zu beseitigen. Die deprimierende Antwort: Nur, wenn wir Glück haben. Eigentlich dient sie dazu, das Wachstum des Tumors so weit wie möglich zu verlangsamen. Was auch bedeutet, daß es nicht möglich ist, die Chemo für einige Zeit auszusetzen, um meinen Vater z.B. in eine Reha zu schicken, die er sich so wünscht. Denn sobald die Chemo aussetzt, beginnen die Krebszellen ungehindert zu wachsen. Schnell zu wachsen. Er käme also kränker wieder, als er hingefahren wäre.

Weitere Details: die Krebsart, die sich in meinem Vater breitmacht ist genauso selten wie aggressiv. Selten bedeutet auch, das es relativ wenig Medikamente gibt, die man geben kann. Was schlecht ist, da er das aktuell verwendete nicht gut verträgt. Er bekommt Durchfall und das wiederum sorgt dann dafür, daß er nicht zunimmt. Was bei seiner Größe von 1,82 Meter und einem Gewicht von 60 Kilogramm aber dringend nötig wäre.

Was ich auch nicht wußte: Krebszellen können, ähnlich wie Viren und Bakterien, Resistenzen gegen Medikamente entwickeln. Was bedeuten würde, daß die Chemo nicht mehr wirkt und auf ein anderes Mittel gewechselt werden müßte. Welches es, wenn ich den Blick des Arztes richtig gedeutet habe, nicht gibt, da die Krebsart zu selten ist.

Alles in allem läßt sich die Lage wohl mit „nicht rosig“ umschreiben. Nächste Woche soll noch mal ein CT gemacht werden. Falls es zeigt, daß der Tumor kleiner geworden ist, könne man, so der Arzt, vielleicht einen Chirurgen befragen. Ob mein Vater da mitspielt, steht in den Sternen.

Schaun wir mal, wie es sich entwickelt.

Schlauschiesser