Eine Frage der Perspektive

Eine Frage der Perspektive

Es war ja still geworden um den ehemlaigen und schmachvoll davongejagten Bundespräsidenten Christian Wulff. In dieser Stille arbeitete die Staatsanwaltschaft an den einzelnen Punkten, die ihm zur Last gelegt wurden und mußte leider feststellen, daß sich einer nach dem anderen als nicht haltbar herausstellte.

Bis auf einen: eine Hotelübernachtung inkl Drumherum wie Restaurant- und Kinderbetreuungskosten, die sein Bekannter Groenewold für ihn übernommen hat. 754 Euro. Für die Kreise, in denen man Ministerpräsident verkehrt wahrscheinlich eine Summe unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, für andere (wie mich) ein nettes Sümmchen.

Wegen dieses Vorfalls wird jetzt also ein Gerichtsverfahren mit allem Brimborium eröffnet. Und schon sind sie da: diejenigen, die sagen „Wegen so einer Lappalie so viel Aufwand! Laßt ihn doch endlich in Ruhe.“ oder „Hexenjagd! Der arme Kerl.“.

All jene, die sich so äußern möchte ich bitten, sich vorzustellen, der Angeklagte wäre kein Ex-Bundespräsident, sondern ein stinknormaler Polizist oder ein kleiner Beamter im Finanzamt. Würden Sie dann auch noch sagen, man solle ihn laufen lassen? Oder ein Lehrer, der sich seinen Urlaub von einem wohlhabenden Elterteil eines seiner Schüler sponsern läßt. Egal? Oder doch nicht? Wo würden Sie die Grenze ziehen? Sie, die Sie das Benehmen der Staatsanwaltschaft überzogen finden? Wie paßte das zusammen mit der Tatsache, das Menschen ihren Job verloren haben, weil sie einen fremden Pfandbon von etwas über einem Euro selbst eingelöst haben oder eine übrig gebliebene Frikadelle von einem Buffet gegessen haben, die ansonsten in die Tonne gewandert wäre? Erklären Sie mir bitte schlüssig, wie das zusammengeht.

Immerhin reden wir hier von einem Mann, der bis ans Ende seiner Tage jedes Jahr 199.000 Euro von uns bekommen soll. Plus Nettigkeiten wie ein Büro mit Bürokraft, einen persönlichen Referenten und eine Limousine samt Chauffeur.

Der Mann gehört selbstverständlich vor Gericht. Für ihn gelten die gleichen Gesetze wie für Sie und mich. Und genauso, wie wir uns verantworten müßten muß er es auch. Selbst wenn er sich nur eine Flasche Wein hätte bezahlen lassen. In manchen Positionen, dazu gehören ganz bestimmt Minister- und Bundespräsidenten, darf man sich nicht einmal den Hauch eines Anscheines von Käuflichkeit anhängen lassen. Tut man es doch und wird aus dem Hauch ein deutlich wahrnehmbarer Geruch, dann ist man dran. So einfach.

Apropos so einfach: ebenfalls im Rahmen dieser Geschichte haben wir gelernt, was es kostet, sich aus dem Schlamassel freizukaufen. Schlappe 20.000 Euro hätte es Herrn Wulff gekostet, das Schauspiel zu beenden. Da er ja kein Amtsträger mehr ist, hätte er ganz ungeniert seine Freunde bitten können, doch etwas beizusteuern. Vielleicht noch mal die alten Bankkontakte reaktivieren, die auch beim Hauskauf so kulant unterstützt haben. Da geht bestimmt noch was.

Ich hätte das gemacht. Bezahlen, danach allen den Finger zeigen und irgendwohin abdampfen wo die Sonne scheint, die Cocktails kühl sind und der Strand weiß ist um die 16.583 Euro monatlich durchzubringen, die mir zustehen. Chauffeur, Referent und Bürokraft könnten meinetwegen 365 Tage im Jahr bezahlten Urlaub machen. Oder mitkommen. Oder sonstwohin gehen. Mir doch egal, ich bezahle sie ja nicht. Das macht ja der Steuerzahler.

Schlauschiesser